Dienstag, 10. November 2009

Inferno in Pfahlbronn - das könnte passieren

Ich hoffe dass es in Pfahlbronn nie so aussieht!


Alles unwahrscheinlich - Nein auch in Deutschland gab es solche Ethylen-Gas-Unfälle siehe Bericht!




Vergessene Katastrophen - Umweltunglücke in der DDR


Die Luft - ein Gasfeld


von Michael Zschiesche, Unabhängiges Institut für Umweltfragen e.V.


Es ist der Morgen des 28. März 1988 unweit von Halle an der Saale. Im Untergrundspeicher zwischen den Orten Teutschenthal und Bad Lauchstädt, einer Kaverne, wird ein Druckabfall registriert. Alle Maßnahmen, den Druck wieder auf 60 at zu bringen, scheitern. Nach etwa 1 Stunde werden erste Gasaustritte registriert. Gegen Mittag entschließt man sich von Werksseite, Havariealarm auszulösen. Gegen 15 Uhr tritt an etwa 20 Stellen Gas aus dem Boden aus. Es entsteht ein Riß in der Erdoberfläche, der immer stärker wächst und gegen 17 Uhr eine Länge von etwa 1 km hat und zwischen 1 cm und 1 Meter breit ist. Die Bildung des Risses ist mit geysirähnlichen Ausbrüchen verbunden, ein Gemisch aus Ethylen, Schlamm und Wasser. Fontänen dieses Gemisches erreichen Höhen bis zu 5 Metern. Es entsteht eine Gaswolke, die gegen 20 Uhr eine Ausdehnung von 4 km erreicht. Obgleich Ethylen nicht giftig ist, werden sofort etwa 100 Einwohner am Ortsrand von Teutschenthal evakuiert. Der Grund: die Gaswolke ist hochexplosiv. Niemand weiß zu diesem Zeitpunkt, warum das Gas austritt. Es herrscht hektisches Treiben am Unglücksort. Die Familien werden über sogenannte Agitatoren der SED betreut. Genaue Informationen sind Mangelware. Weder Zeitdauer noch Notwendigkeit der Evakuierung werden den betroffenen Familien mitgeteilt.


Doch Glück im Unglück, so unerwartet das Ereignis kam, verschwindet es auch wieder. Das Gas verflüchtigt sich aufgrund der Witterungsverhältnisse am späten Abend. Gegen 22.00 Uhr liegt die Konzentration erstmals unterhalb der Explosionsgrenze. Den Rest erledigt eine Fackel. Zwei Fernverkehrsstraßen und eine Eisenbahnverbindung werden in der Nacht wieder frei gegeben. Bei allen Beteiligten Aufatmen. Es war nur ein Beinaheunglück. Später steht im Bericht an das Zentralkomitee der SED, daß niemand zu Schaden gekommen sei, auch wenn sich noch Tage später zahlreiche Menschen mit Bindehautreizungen in ärztliche Behandlung begeben müssen. Produktionseinschränkungen für die Verbraucher VEB Leuna Werke „Walter Ulbricht" und VEB Chemische Werke Buna sind hingegen tatsächlich nicht zu verzeichnen. Ganz im Gegenteil, nach der Havarie wird entschieden, die Kaverne in der etwa 9000 t Ethylen lagerten, leer zu machen. Buna und Leuna können pro Stunde nur 10 t abnehmen. Ethylen wird als Grundstoff für die Produktion von Plastikwerkstoffen und chemischen Zwischenprodukten verwendet. Es wird entschieden, das Gas in den Untergrundspeicher 7 umzuleiten. Hierbei treten dann erneut Probleme auf, noch Tage danach tritt an etwa 10 Stellen Gas in Explosionskonzentration aus den Untergrundspeichern aus. Unter der Bevölkerung im Katastrophengebiet herrscht nach dem Ereignis Angst, weil sie nur lückenhaft und portionsweise über das Geschehen aufgeklärt werden. Schon 1985 und 1986 gab es ähnliche Ereignisse. Die restriktive Informationspolitik läßt Gerüchte entstehen. Die Menschen der betroffenen Orte wissen, daß sie auf einem Pulverfaß sitzen. Bislang jedoch gab es keine Havarie solchen Ausmaßes. Diesmal sind auch offizielle Stellen ratlos. Noch Monate später ist die Ursache der Beinahekatstrophe unklar. Später wird festgehalten, daß eine tektonische Verschiebung bzw. ein Gebirgsabriß Ursache gewesen sei.


In Teutschenthal bei Halle hatten die Menschen und hatte auch die Umwelt Glück. Leider gab es in der DDR viele Fälle, in denen dieses Glück fehlte. Havarien in Produktionsanlagen, Unglücke in der Land- und Forstwirtschaft, Brände, Störfälle in Anlagen und nicht wenige Katastrophen waren Begleiter der DDR und mußten es sein. Während die Umweltschäden nach 1989 allerorten in Ostdeutschland sichtbar waren, in der Folge gründlich analysiert und untersucht und zum Teil erstaunlich schnell beseitigt wurden, trat die Aufarbeitung von Einzelereignissen, die sehr viel persönliches Leid für die Betroffenen bedeuteten und die die katastrophale Umweltsituation zum großen Teil bewirkten, in den Hintergrund und sind dadurch vergessen bzw. nicht bekannt.

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